Beate Ling im Interview

„Die Stimme ist der Fingerabdruck der Seele“

Mit ihrem achten Soloalbum möchte Beate Ling ihre Lieblingslieder festhalten. Persönliche Favoriten, mit denen sie eine ganz eigene Geschichte verbindet und die sie über die Jahre immer wieder begleitet haben.

„Die Stimme ist der Fingerabdruck der Seele“
Beate Ling
Es gibt Lieder, die einen besonders begleiten. Lieder, die ein Gefühl auf den Punkt oder die Erinnerung an eine bestimmte Zeit zurück bringen. Lieder, die ein ganzes Kapitel Lebensgeschichte in ein einziges Stück Musik gießen können.

Liebe Beate, was hat dich dazu veranlasst, nach sieben Alben eine CD mit deinen Lieblingsliedern zu veröffentlichen?

Beate Ling: Da gab es viele Gründe. Zum einen fand ich das Wortspiel „LiebLINGslieder“ schon einmal sehr spannend. Und zum anderen haben die Lieder nach wie vor sehr viel Gewicht in meiner Arbeit –
sei es beispielsweise in meinen Passionskonzerten, wo Songs wie Dann halt ich fest an dir und Grabtanz sehr wichtig sind. Oder in meiner Frauenarbeit, wie den Frühstückstreffen zu Themen wie „schmerzhafte Erfahrungen bewältigen“ und „Bis hierher und viel weiter“, denn auch dort spielen diese ganz persönlichen Lieder, die aus meiner eigenen Geschichte entstanden sind, eine große Rolle. Und genau diese Songs habe ich neu angeschaut – gemeinsam mit Michael Schlierf, der sie als Arrangeur und glänzender Pianist neu in Szene gesetzt hat. Ich persönlich finde, das hat den Songs sehr gut getan und sie neu beflügelt.

Nach welchen Kriterien hast du die Lieder für dieses Album ausgewählt?

Beate Ling: Da gab es zunächst einmal nur meine persönliche Befindlichkeit und meinen ganz eigenen Geschmack. Ich selbst war mein einziger Maßstab und das fand ich irgendwie spannend. Welche Bedeutung hat dieses oder jenes Lied heute noch für mich? Warum ist es mir immer noch wichtig? In einer ersten Auswahl bin ich so auf 20 bis 25 Lieder gekommen. Dann habe ich die Menschen in meinem Umfeld gefragt, welche meiner Lieder ihre persönlichen Favoriten sind. Daraus ergab sich schließlich eine Schnittmenge. Und am Ende hat der Produzent und Arrangeur natürlich auch noch ein Wörtchen mitzureden. (lacht)

Wenn du aus den 14 Liedern des Albums deinen absoluten Favoriten aussuchen müsstest, welcher wäre das?

Beate Ling: Das ist jetzt aber gemein … (lacht) Ehrlich gesagt ändert sich das immer. Ich habe beispielsweise während der diesjährigen Allianz-Gebetswoche viele Lieder des Albums gesungen, und in dieser Zeit war Trag mich mein großer Favorit. Aber im Grunde genommen sind alle 14 meine Lieblingslieder und das macht die Antwort eigentlich doch ganz leicht.

Seele und Kehle sind eins: Das ist eine wichtige Erkenntnis für meine Arbeit.



Du bist ja nicht nur selbst Sängerin, sondern bildest auch andere Sängerinnen und Sänger aus. Was ist die wichtigste Lektion, die du deinen Schülern zum Thema „Singen“ mitgibst?

Beate Ling: Gerade, wenn man Solistenseminare und Gesangsworkshops gibt, steht natürlich die Stimmbildung im Vordergrund – die Entwicklung der Stimme als „Fingerabdruck der Seele“, wie man so schön sagt. Für Seele und Kehle gibt es im hebräischen nur ein Wort – „näfäsch“ –, und das ist eine ganz große Erkenntnis für meine Arbeit und für mich selbst: dass Seele und Kehle eins sind. Das erklärt auch, weshalb man manchmal „eine Etage tiefer schauen muss“, also Blockaden in der Seele lösen muss, damit die Kehle klingen kann. Im Umkehrschluss ist es ja auch so, dass Singen der Seele gut tut. Das ist nichts Neues. Daher stammt ja das Konzept der Musiktherapie, und deshalb engagieren sich Menschen in Chören, singen in der Kirche oder der Gemeinde. Einfach, weil’s der Seele gut tut.

Also hat deine Aufgabe als Vocal Coach mitunter auch etwas Therapeutisches.

Beate Ling: Manchmal schon. Es gibt Stunden, in denen man keinen Ton singt und trotzdem einen großen Schritt weiterkommt. Das ist mir ein großes Anliegen – und gleichzeitig eine große Herausforderung, auf die ich mich aber gerne einlasse.

Was erwartet die Besucherinnen, wenn sie zu einem deiner „Frauenfrühstücktreffen“ kommen?

Beate Ling: Im Großen und Ganzen „Musik und Talk“ mit dem Untertitel „Beate Ling im Gespräch“, denn ich lasse mich quasi interviewen und singe zwischendurch immer wieder mal ein Lied. Ein Thema ist zum Beispiel „Bis hierher und viel weiter – schmerzhafte Erfahrungen bewältigen“. Hier geht es um meine eigene Biografie, um Themen wie Trauer, Trennung, Neuanfang und Vergebung. Dazu habe ich passende Lieder, die ich dann zwischendurch vortrage.

Mein Leben hat sich verändert und ich stehe dazu.



Es fällt dir offensichtlich nicht schwer, etwas aus deinem persönlichen Leben zu erzählen, wenn du das Gefühl hast, es könnte anderen Menschen helfen …

Beate Ling: Ich sage an der Stelle immer: Ich habe eigentlich auch eine CD darüber gemacht, nämlich So weit, so gut im Jahr 1996/1997. Nach dem Unfalltod meines Bruders und der Scheidung von meinem Mann – beides 1996 – habe ich mit diesem Album ein klares Statement gesetzt, nach dem Motto: Mein Leben hat sich verändert und ich stehe dazu. Aber ich sage auch immer in meinen Veranstaltungen: Das alles liegt jetzt schon sehr lange zurück und deshalb kann ich mit dem nötigen Abstand darüber sprechen. Denn die Menschen sollen wissen, dass ich aktuell nicht in diesem Prozess stecke, damit ich denjenigen, die gerade eine schwierige Situation durchmachen, nicht zu nahe trete. Am Ende wirkt man sonst wohlmöglich noch abgeklärt, und das würde Menschen in schwierigen Situationen sicher verletzen.


Aber du hast durch die Distanz dann wahrscheinlich schon einen Blinkwinkel, der andern Menschen in ihrer aktuellen Situation helfen kann, oder?

Beate Ling:
Das hoffe ich, denn ich rede über das, was mir rückblickend geholfen hat – beispielsweise auch ganz offen über das Thema „professionelle Hilfe“. Dabei empfinde ich dann auch eine große Verantwortung, denn für viele Menschen ist es nach wie vor ein Tabuthema, das ich damit anspreche.

Vielen Dank für das Gespräch.


(c) Fotos: Pete Ruppert