Thomas Franke über

Das Licht scheint in die Finsternis

„Grandios. Fesselnd. Und berührend.“ Mit diesen Worten kann man den neuen Roman von Thomas Franke beschreiben. Doch worum geht es? Antworten liefert der Autor im Interview.

Das Licht scheint in die Finsternis
© Foto: privat
Lieber Thomas, welche Freude, einen neuen Roman von dir in den Händen zu halten. Was erwartet den Leser in Das Licht scheint in die Finsternis?

Kurz zusammengefasst geht es um die Jagd nach einem gefürchteten Verbrecher, einen jungen Mann auf der Suche nach seinem verlorenen Bruder, eine Frau, der schreckliches Unrecht widerfahren ist, und einen Menschen, dem auf dramatische Weise bewusst wird, dass er schon seit Jahren innerlich tot ist.

Was hat dich bewogen, ausgerechnet dieses Buch zu schreiben?

Es mag zunächst etwas irritierend wirken, aber es war das Nachdenken über das, was Sünde eigentlich bedeutet. Ich glaube, dass dieser Begriff in unserer Gesellschaft mittlerweile eine skurrile Wandlung erfahren hat: Ein Zitat der amerikanischen Filmschauspielerin Mae West bringt dieses Verständnis ganz gut auf den Punkt: „Wenn ich mich zwischen zwei Sünden entscheiden muss, entscheide ich mich immer für die, die ich noch nicht kenne.“

Der Begriff „Sünde“ weckt also entweder die Assoziation von etwas Verbotenem, aber unglaublich Attraktivem, oder er wird als Machtinstrument verbitterter alter Männer betrachtet, die versuchen, die Freiheit anderer einzuschränken. Beides könnte von der Wahrheit kaum weiter entfernt sein. Nun will ich in diesem Roman nicht irgendeinen Begriff rehabilitieren, aber ich würde gerne versuchen, deutlich zu machen, was damit ursprünglich gemeint war. Sünde bedeutet, dass ich das Ziel verfehle, dass ich mich selbst verfehle und immer weniger werde, als ich eigentlich bin.

Das hört sich spannend an! Ist auch etwas „fürs Herz“ dabei?

Manchmal wächst die Liebe an den ungewöhnlichsten Orten. Manchmal wirft sie unsere sorgfältigen Pläne einfach durcheinander. Und manchmal scheint es, als habe sie von Anfang an keine Chance. Wer wissen will, wie das in diesem Roman ist, muss ihn lesen.

Hattest du beim Schreiben einen Lieblingsprotagonisten? Wenn ja, was macht ihn so besonders?

Diese Frage ist immer ein wenig schwer zu beantworten, denn in gewisser Weise liegen mir alle Figuren eines Romans am Herzen, sonst könnte ich ihn nicht schreiben. Aber wenn ich mir die Figur herauspicken sollte, die mich am meisten inspiriert und herausfordert, dann wäre das Faith. Er scheint ein hilfebedürftiges Kind zu sein und trägt doch eine unglaubliche Stärke in sich. Er ist naiv und weise zugleich. Und das Geheimnis, das ihn ausmacht, trägt er ganz offen vor sich her.

In deinen Dankesworten am Ende des Buches ist zu lesen, dass die Kurzversion der Geschichte schon vor einigen Jahren entstand. Warum lag diese Geschichte so lange auf Eis?

In der ersten Version war das Buch ein Kurzroman, den ich innerhalb weniger Wochen geschrieben hatte. Das war 2009. Heute denke ich, dass die Geschichte damals noch nicht ganz ausgereift war. Ganz abgesehen davon: Wer liest schon Kurzromane? Dass es so lange gedauert hat, bis die Geschichte nun doch veröffentlich wurde, hat zwei Gründe: Zum einen gab es andere Projekte, die sich irgendwie „vorgedrängelt“ haben, z. B. die erste Biografie, die ich als Ghostwriter geschrieben habe. Zum anderen brauchte die Geschichte Zeit, um zu reifen und ihre jetzige Form zu finden.

Im Buch geht es auch um Schuld und Vergebung. Was bedeuten dir diese zwei Dinge persönlich?

Kein Mensch ist durch und durch gut. Niemand ist ohne Egoismus und schadet anderen Menschen ausschließlich aus Versehen oder aufgrund von Missverständnissen. Wir alle werden schuldig. Es ist nicht möglich, unsere Schuld wegzuerklären oder kleinzureden, ohne die zu missachten, die darunter leiden. Menschliche Schuld ist eine Tatsache, und manchmal, da wird sie so unerträglich groß, dass sie den Horizont zu verdunkeln scheint und uns das Licht raubt, das wir zum Leben brauchen.

In der Politik hat sich seit einiger Zeit die Gewohnheit etabliert, davon zu sprechen, dass eine bestimmte Entscheidung oder Maßnahme „alternativlos“ sei. Zuweilen beschleicht mich der Verdacht, dass dies nicht selten ein Euphemismus ist für „Uns fällt gerade nichts Besseres ein“. Aber ich bin überzeugt davon, dass es Dinge gibt, die tatsächlich alternativlos sind. Und für mich ist eine Sache absolut alternativlos: Wir brauchen Vergebung! Wir brauchen sie so sehr, wie wir die Luft zum Atmen brauchen. Das ist auch eine persönliche Erfahrung.

Es gibt eine Formulierung im Vaterunser, an der ich lange Zeit zu knabbern hatte. Sie lautet: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ Mir erschien das immer wie Art Deal, eine ziemlich teuer erkaufte Gnade. Aber das lag daran, dass ich überhaupt nicht begriffen hatte, was eigentlich dahintersteckt. Und um das, was eigentlich dahintersteckt, geht es in meinem Roman. Mehr will ich an dieser Stelle aber lieber nicht verraten.

© Gerth Medien 2018

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