2016/3 - Judy Bailey

Öffne ich meine Türen, mein Herz?

Öffne ich meine Türen, mein Herz?
Judy Bailey
Als ich gestern Abend meinen Kindern die Geschichte von Ruth vorlas, gingen mir die Augen plötzlich neu auf. Die mir wohlvertraute Ruth und ihre Schwiegermutter Noomi verließen auf der Suche nach einem besseren Leben ihr Land. Einmal, weil sie hungerten. Einmal, weil ihre Männer gestorben waren. Sie suchten ein passendes Zuhause für sich. Einen Ort, an dem sie leben, an dem sie überleben  konn ten: ein „Home“. In Europa wären sie für viele „Wirtschaftsflüchtlinge“ …

Auch mich fragen Menschen manchmal, wo eigentlich mein Zuhause ist. Ich wurde in London geboren, bin in Barbados aufgewachsen und lebe seit 18 Jahren in Deutschland. Zu Hause bin ich deshalb tatsächlich dort, wo meine Lieben sind, mein Mann und meine drei Söhne: Zurzeit ist das der Niederrhein. Meine Heimat aber ist Barbados geblieben und ich rufe meine Mutter dort täglich an. Mehrere „Homes“ im Herzen machen einen Menschen in einigen Dingen reicher, in anderen auch ärmer. Man kann nie überall sein. Man fühlt sich oft vertraut und fremd zugleich.

Vielleicht spüre ich deshalb in besonderer Weise eine Nähe zu Menschen, die ihr Zuhause verlassen müssen. Die Welt ist kein gerechter Ort, das haben wir u. a. bei Konzerten in mehr als 30 Ländern selber erlebt. Und so suchen Menschen immer wieder Orte, wo es ihren Familien gut geht. Wo sie sicher leben können. Wie Ruth und Noomi.

Deshalb ist „Home“ keine Sache, die mich nur als Suchende umtreibt, sondern auch als Nachbarin. Teile ich von meinem Überfluss mit Armen? Bin ich gastfreundlich gegenüber Fremden? Dürstet mich nach Gerechtigkeit – auch in meinem Umfeld? Öffne ich meine Türen, mein Herz? Öffne ich meine Bibel für mein Leben – und für andere?

Seit aus namenlosen Gesichtern in den Nachrichten meine Nachbarn geworden sind, stellt sich die Frage nicht nur im Gottesdienst theoretisch, sondern ganz real in meinem Alltag. Und in diesem meinem neuen Alltag ist ein Lied entstanden, das die Sehnsucht, die Gebete, die Hoffnung auf ein neues Zuhause lebendig macht. Den Ort, „wo man mich kennt und an dem ich ich selbst sein kann, ohne mich viel erklären zu müssen“. Dann ist „Home“ keine Sache mehr, für die jeder selber kämpft, sondern etwas, das ich auch als Nachbarin, als Christin, als Mensch einem anderen Menschen ein Stück weit öffnen und schenken kann. Und dieser andere Mensch mir.

Vielleicht müssten wir uns öfter fragen: Dekorierst du noch oder teilst du schon?

Songvideo:



Songtext „Home“:

Made it to my horizon
Cross the border to survival
My arrival wasn’t all I thought it’d be

I need somewhere to settle down
To re-adjust my dreams for now
To lay my head so I can be at ease

Home, home, home
No matter where I wander
No matter where I roam
I’m longing for
Home, home, home
Still searching, still longing for home

I took a chance in being here
I hope that chance is really there
I chose the risk and have to count the cost

But the aftertaste is bittersweet
’Cause while gaining possibilities
The truth is, there is so much I have lost

Where I am wanted and my life has meaning
A place where I am known
Where I can be myself without much explaining
A place where I belong

Still searching
Still longing
Still dreaming
I’m still praying
Still hoping
Still waiting
Still searching, still longing for home

© Judy Bailey • Dyba Music


Deutsche Übersetzung:

Ich kam an meinen Horizont
Über die Grenze ins Überleben
Meine Ankunft war nicht nur so, wie ich sie mir vorgestellt habe
 
Ich brauche irgendeinen Ort, an dem ich mich niederlassen kann,
Um meine Träume erst einmal neu einzustellen
Um meinem Kopf niederzulegen, damit ich zu Ruhe kommen kann
 
Zuhause, Zuhause, Zuhause
Egal wo ich umher wandere
Egal wo ich unterwegs bin
Ich bin auf der Suche nach Zuhause, Zuhause, Zuhause
Ich bin immer noch auf der Suche, ich habe immer noch Sehnsucht nach Zuhause
 
Ich habe es darauf ankommen lassen hierher zu kommen
Hoffentlich habe ich wirklich eine Chance
Ich habe mich für das Risiko entschieden und muss jetzt damit klar kommen
 
Aber der Nachgeschmack ist bittersüß
Denn obwohl mir neue Möglichkeiten eröffnet wurden
Habe ich in Wahrheit auch so viel verloren

Zuhause, Zuhause, Zuhause
Egal wo ich umher wandere
Egal wo ich unterwegs bin
Ich bin auf der Suche nach Zuhause, Zuhause, Zuhause
Ich bin immer noch auf der Suche, ich habe immer noch Sehnsucht nach Zuhause

Wo ich gewollt bin, und mein Leben einen Sinn hat
Ein Ort, an dem man mich kennt
An dem ich ich selbst sein kann, ohne mich viel erklären zu müssen
Ein Ort, wo ich hingehöre
 
Bin noch auf der Suche
Habe noch Sehnsucht
Träume noch
Ich bete noch
Hoffe noch
Warte noch
Bin noch auf der Suche
Habe noch Sehnsucht
Nach zu Hause
Zu Hause