2017/2 – Flor Namdar

Durch meine Mutter habe ich Nächstenliebe gelernt

Durch meine Mutter habe ich Nächstenliebe gelernt
Flor Namdar
Als meine geliebte Mutter 1995 nach Deutschland kam, um mich zu besuchen, entschied sie sich dafür, sich hier taufen zu lassen. Eigentlich war sie schon vor neun Jahren zum christlichen Glauben konvertiert, aber im Iran durfte sie nicht getauft werden. Der Taufspruch, den sie sich selbst ausgesucht hatte, steht im Buch Josua: „Ich aber und mein Haus wollen dem Herrn dienen“ (Josua 24,15).

Bei ihrer Taufe erinnerte ich mich an den Tag, als ich 1986 im Alter von 21 Jahren nach meinem ersten Gottesdienstbesuch in Teheran nach Hause in unsere Flüchtlingsunterkunft kam und ihr erzählte, dass ich in einer Kirche gewesen war. Obwohl sie nicht religiös war, stand ihr die Angst ins Gesicht geschrieben. In einem muslimischen Land wie dem Iran muss man mit dem Tod rechnen, wenn man Christ wird. Sie fragte mich: „Weißt du, was du uns antust? Weißt du nicht, dass die Regierung unsere gesamte Familie töten wird?“ Aber sie sah, dass aus ihrer depressiven und hoffnungslosen Tochter eine fröhliche Frau geworden war. Sie wurde neugierig und bat mich, ihr aus der Bibel vorzulesen. Sie war davon so fasziniert, dass sie in kurzer Zeit zum Glauben an Jesus fand.

Meine Mutter hat mich in all den Jahren mit ihrer Liebe zu ihren Mitmenschen sehr geprägt. Sie war nicht nur die Mutter ihrer acht Kinder, sondern auch die Mutter vieler Menschen. Als ich 1994 nach Deutschland eingeladen wurde, um als Missionarin und Seelsorgerin zu arbeiten, war sie diejenige, die mir gesagt hat: „Geh! Du hast eine Vision und willst dem Herrn dienen.“

Meine Gemeindemitglieder nennen mich „Mutter Flor“. Meine eigene Mutter hat mir gezeigt, wie eine Mutter sein sollte. Die Liebe, die sie mir vorgelebt hat, gebe ich nicht nur an meine geliebte Tochter weiter, sondern auch an jedes einzelne Gemeindemitglied.

Durch meine Mutter habe ich Nächstenliebe gelernt und verstanden, dass man immer genug hat, um mit anderen zu teilen. Egal, wie es einem gerade selbst ergeht. Diese Erfahrung wünsche ich auch Ihnen.