Autoren-Interview

„Liebe wird durch Handeln sichtbar“

Sie gehört zu den meistgelesenen christlichen Roman-Autorinnen unserer Zeit. In ihrer Familiensaga hat Francine Rivers nicht nur eine großartige Geschichte geschrieben, auch die Tragödien und Erlebnisse ihrer eigenen Familie kommen darin zum Tragen ...

„Liebe wird durch Handeln sichtbar“
Francine Rivers
Sie haben bereits viele Bestseller geschrieben. Gab es für Sie einen Unterschied beim Schreiben von „Die Sehnsucht ihrer Mutter“ im Vergleich zu Ihren anderen historischen Erzählungen?

Es war schwierig, diese Familiensaga zu schreiben, weil ich der Geschichte am Anfang zu nahe stand. Ich wollte reale Menschen porträtieren, aber die Geschichte hatte zu wenig Dramatik und Konflikte, um den Leser zu fesseln. Das erste Manuskript zu schreiben - 1.200 Seiten - hat über ein Jahr gedauert. Der Verlag und ich sprachen über die Möglichkeiten der Überarbeitung, aber ich wusste, dass ich selbst nach den größten Veränderungen mit der Geschichte nicht zufrieden sein würde. Eine Lektorin fragte mich über Marta und Hildie aus. Sie sagte, sie wüsste gerne mehr über verschiedene Ereignisse. Dann wusste ich, was zu tun war: Ich habe den Roman komplett neu geschrieben.

Meine Mutter und Großmutter waren zwar die Inspiration für die Geschichte, aber sie entsprachen nicht den späteren Charakteren. Marta und Hildemara hatten sich ihren Weg von meinen Ideen zu den Personen im Buch erkämpfen müssen. Die Abfolge der Ereignisse stimmt mit dem Leben meiner Mutter und Großmutter überein, aber was letztendlich ihr Leben formt und wie sich ihre Persönlichkeit entwickelt, ist frei erfunden. Für meine Leser mag das seltsam klingen, wenn ich davon spreche, dass Figuren real werden. Wenn sich ihre Geschichte auf unerwartete Weise entwickelt, dann wird das Schreiben spannend für mich, dann weiß ich, dass Gott dabei ist, mir etwas Neues beizubringen.

Was wie Zurückweisung aussieht, kann unterdrückte Liebe sein.



Sind Sie von einer speziellen Familien-Saga inspiriert worden, einen Teil der Geschichte Ihrer eigenen Vorfahren in einen Roman zu fassen?

Mein Urgroßvater erzählte meiner Großmutter, dass Bildung eine Verschwendung wäre für Mädchen. Er nahm sie aus der Schule, schickte sie arbeiten und brachte sie dazu, ihr Geld dem Familieneinkommen zu opfern und den Unterricht ihres Bruders zu finanzieren. Aber die eigentliche Frage, die am Anfang des Projektes stand, war, was meine Großmutter am Ende ihres Lebens von meiner Mutter entfremdete. Teilweise wusste ich es, aber es musste noch mehr geben.

Als ich auf das Leben meiner Großmutter zurückschaute, verstand ich ihren Ärger und warum sie sich angegriffen fühlte. Aber ich sah auch, wie sie andere verletzte und am meisten doch sich selbst. Ich wollte alle Möglichkeiten und die „besseren“ Gründe für ihre Entscheidungen finden. Was wie Zurückweisung aussieht, kann unterdrückte Liebe sein.

Die Sehnsucht ihrer Mutter

Buch - Gebunden

"Die Sehnsucht ihrer Mutter" ist der erste Band einer zweiteiligen Familien-Saga, die Kontinente ...

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Haben Sie einmal etwas Seltsames in Ihrer Familiengeschichte entdeckt, das Sie gründlich untersuchen wollten?


Das Seltsame in meiner Familie ist, dass meine Großmutter und meine Mutter sich sehr liebten, es aber nie ausdrücken konnten. Nachdem ich meine Großmutter damit genervt hatte, ihre Memoiren zu schreiben, fasste sie auf vierzehn Seiten ihre über neunzig Lebensjahre zusammen. Bei Zeilen wie „Ich hatte eine jüngere Schwester, aber ein dummer alter Mann gab ihr Kirschen und Bier und sie starb“ musste ich nach Luft japsen. Sie erwähnte weder den Namen ihrer Schwester, noch welche Wirkung dieser Tod auf die Familie hatte.

Meine Mutter schrieb Tagebuch, aber sie war vorsichtig genug, nicht über ihre Gefühle zu schreiben. Sie schrieb chronologisch auf, was sie, und später ihre Familie, täglich machten. Ich habe alle ihre Tagebücher, bis auf ihre drei schwierigsten und traumatischsten Lebensjahre. Ich bin mir sicher, dass sie diese zerstört hat.

Liebe wurde nicht in Worten ausgedrückt. Sie wurde durch Handeln sichtbar.



Meine Mutter hat mir erzählt, dass meine Großmutter niemals „Ich hab dich lieb“ zu ihr gesagt hatte. Wie ist das möglich, dass ein Elternteil diese Worte kein einziges Mal über die Lippen bringt? In früheren Generationen war das so üblich, hat man mir gesagt. Liebe wurde nicht in Worten ausgedrückt. Sie wurde durch Handeln sichtbar. Mutter sagte, dass sie wusste, dass Großmutter sie liebte, weil „sie so hart arbeitete, um ihre Kinder durchzubringen“.

Heutzutage kommen die Worte „Ich hab dich lieb“ leicht über die Lippen, aber nur wenige scheinen den Sinn von Hingabe zu kennen. Wir müssen hart daran arbeiten, einander zu lieben. Liebe mag mit „Gefühlen“ beginnen, aber von dort muss sie in Gedanken, Seele und Kraft übergehen, mit Gottes Hilfe, damit sie lebendig bleibt und wachsen kann. Liebe, echte Liebe, ist nicht leicht.

Jede Familie, die ich kenne, hatte einschneidende Tragödien irgendeiner Art, sowohl in der Vergangenheit, als auch in der Gegenwart.



Eine Familientragödie aus „Die Sehnsucht ihrer Mutter“ beeinflusst das Leben der unmittelbaren Familienmitglieder und auch die der nächsten Generation. Waren Sie überrascht, zu entdecken, dass eine Tragödie solch weitreichende Folgen haben kann?

Es gibt zwei charakterverändernde Tragödien in der Geschichte und keine davon passierte in meiner Familie. Gott sei Dank. Wir hatten und haben immer noch andere Tragödien, die unsere Familienbande formen und stärken. In den letzten Jahren habe ich genau beobachtet und zugehört und jede Familie, die ich kenne, hatte einschneidende Tragödien irgendeiner Art, sowohl in der Vergangenheit, als auch in der Gegenwart. Dazu fällt mir Römer 8,28 ein. Gott gebraucht die schweren Dinge, die das Leben uns vor die Füße wirft, um unsere Herzen zu erweichen und uns zu ihm zu ziehen. Gott verschwendet nichts.

Auf Sünde folgt Schmerz. Wir haben uns nicht zu besseren Menschen entwickelt. Wir sind noch dieselben wie im Garten Eden.



|r Ist die Beschäftigung mit der eigenen Familiengeschichte eine Hilfe, um bestimmte Muster innerhalb einer Familie zu verstehen?

Ich sehe einige Verhaltensmuster in meiner Familie. Oft denke ich über die Verse nach, die vom Fluch eines Vaters auf den Sohn und noch auf die drei folgenden Generationen sprechen. Aber dann erinnere ich mich auch an die Worte, die bald darauf folgen, über Gottes Segen für diejenigen, die ihn lieben und ihm gehorchen, über Tausend Generationen. Sehr viel von unserem Schmerz hat mit der Natur der Sünde zu tun, mit dem Erbe Adams und Evas. Auf Sünde folgt Schmerz. Wir haben uns nicht zu besseren Menschen entwickelt. Wir sind noch dieselben wie im Garten Eden.

Das zu erkennen gibt mir die Möglichkeit, mich zu entscheiden, immer wieder, täglich, wöchentlich, monatlich, jährlich. Auch für jemanden, der einen starken Glauben an Jesus Christus hat, ist das Glaubensleben schwierig. In mir findet ständig ein Kampf statt. Wie der Apostel Paulus will ich mich daran erinnern, dass Gottes Gnade genügt. Aber im Hier und Jetzt zu leben – der Himmel wird kommen sobald Gott es entscheidet – hat immer mit dem Kampf gegen die Natur der Sünde zu tun, nicht auf sie zu hören und ihr nicht nachzugeben.

Eine der vielen Szenen, die mich in „Die Sehnsucht ihrer Mutter“ berührt hat, war eine Diskussion zwischen Bernie und Hildie, als sie über Bernies noch ungeborenes Baby sprechen. Ich mag sie besonders, weil sie einen Bruder-Schwester-Moment einfängt und weil Sie sensibel porträtieren, wie Verrat sich in einer Familiendynamik manifestiert. Was wollten Sie mit dieser Szene bewirken?


Ich bin davon überzeugt, dass der Weg der Vergebung der beste Weg ist, den wir wählen können. Wir alle sind Sünder. Niemand von uns versteht ganz, was in einem anderen Menschen vorgeht. Oft wissen wir nicht einmal, was in uns selbst vorgeht! Wer war der erste in dieser Szene, der hintergangen wurde? Hildie war verurteilend und lernte auf der anderen Seite, die Situation mit anderen Augen und mit einem veränderten Herzen zu sehen. Die Liebe findet einen Weg, miteinander ins Reine zu kommen. Es ist mein tiefer Wunsch, dass meine Leser und ich immer wieder Wege finden, die Mauern um uns herum einzureißen und zueinander zu finden, damit wir andere so lieben können, wie Jesus uns zuerst geliebt hat.

Hier geht es zur Leseprobe zu Die Sehnsucht ihrer Mutter und hier zum zweiten Band Die Hoffnung ihrer Tochter. Damit ist die zweiteilige Serie abgeschlossen.

© 2012. Jane Kirkpatrick, http://janeswordsofencouragement.blogspot.de