Buchvorstellung

Machine Gun Preacher

Wie weit darf man gehen, um Menschen vor einem Terror-Regime zu retten? Darf ein Christ eine Waffe tragen und sie notfalls einsetzen, um Unschuldige zu schützen? Diese und andere brisante Fragen wirft die neue Biografie „Machine Gun Preacher“ von Sam Childers auf.

Machine Gun Preacher
Sam Childers - Der Prediger mit dem Maschinengewehr


Auf einem Hilfseinsatz im Sudan sieht Sam Childers die Grausamkeiten, die Kindern angetan werden. Und weil ihn die schockierenden Bilder nicht mehr loslassen, wird er tätig: Er baut ein Waisenheim und verteidigt Kinder aller Altersgruppen, die bei ihm Schutz suchen vor Joseph Kony und seiner LRA. Die „Lord's Resistance Army“ ist eine Rebellengruppe, die weltweit für ihre Schreckensherrschaft bekannt ist und bereits jüngere Kinder zu Soldaten und Sexsklaven macht.

In seiner Biografie Machine Gun Preacher berichtet Sam Childers von seinem langen Kampf gegen das Unrecht in dieser Region Afrikas. Besondere Aufmerksamkeit wurde ihm und seiner Organisation „Angels of East Africa“ durch die Hollywood-Verfilmung seines Buches zuteil, u.a. mit bekannten Schauspielern wie Gerard Butler und Michelle Monaghan. Was Sam Childers im Sudan erlebt hat, können Sie in den folgenden Buchauszügen erfahren.



Rebellen und Gottes Schutz

Im hohen Gras des Südsudan lauert der Tod. Von einer Sekunde auf die nächste wird die öde Landschaft überrannt: Hunderte Rebellen greifen an. „Lord’s Resistance Army“ – „Widerstandsarmee des Herrn“ – nennen sie sich. Kurz: LRA. Seit Jahrzehnten überfallen sie arglose Dörfer, töten, vergewaltigen und zerstümmeln Menschen. Sie entführen Kinder, die sie zum Töten und anderen Grausamkeiten zwingen. Alles, was sich ihnen in den Weg stellt, walzen sie nieder. Kaum einer versucht, sie zu stoppen. Regierungsbeamte oder Hilfsorganisationen wie CARE und das Rote Kreuz bleiben den Krisengebieten lieber fern. Die Dorfbewohner sind sich selbst überlassen. Ständig leben sie in Angst. Friedliche Nächte im Busch kennen sie nicht.

Sobald die Hitze des Tages einer sanften Abendbrise weicht, wandern die Kinder vom Land in die Stadt. Schon von Weitem hört man sie kommen. „Bleibt zusammen!“, rufen sie ihren Freunden, Brüdern und Schwestern zu. Es dämmert. Mit den letzten Sonnenstrahlen taucht am Horizont ein wirbelndes Durcheinander von farbenfrohen Kleidern auf, umrahmt von den dunklen Weiten des afrikanischen Himmels. Einige Kleidungsstücke sind kaum mehr als Lumpen. Aber sie heben sich hell ab von den verschrammten Holztüren, die sich Abend für Abend öffnen, um den Kindern Zuflucht zu gewähren: in einem Schulraum oder im Garten eines Krankenhauses.

Ein Lied in der Nacht
Kinder sind und bleiben Kinder. Die Luft ist erfüllt von Lachen. Spielkameraden spielen Fangen, bis es zu voll wird im Raum. Strahlende Gesichter und funkelnde Augen zeigen wenig Anzeichen von Furcht. Für eine weitere Nacht sind sie in Sicherheit. Routine schleicht sich ein. Jeder Abend wird ein Abenteuer und jede Nacht ein Spaß. Erwachsene sind nicht anwesend. Aufpasser oder Wächter gibt es nicht. Die Kinder behalten sich gegenseitig im Auge. Eine kleine, aber zuversichtliche Stimme beginnt zu singen, klar und glockenhell in der Nacht – auf Englisch mit einem klingenden afrikanischen Akzent:

Steh niemals fern von Gott,
Steh niemals fern – Halleluja!
Steh niemals fern von Gott,
Steh niemals fern.


Sofort stimmen andere mit ein. Jeder kennt dieses Lied. Und die volle afrikanische Harmonie, die sich im Laufe der Jahre an die einfache Melodie des Westens angepasst hat, erfüllt den Raum. Es gibt eine Leitstimme in dem Chorus, die den Text hin und her pendeln und von der Wand abprallen lässt. Der Rhythmus ist energiegeladen. Voller Leben. Kleine Hände beginnen zu klatschen, einige im Takt und andere dazwischen. Im Raum wird es dunkel – Strom gibt es nicht.

Doch das Lied setzt sich fort bis weit in die Nacht hinein. Schließlich legen sich die Kinder zum Schlafen nieder. Beim ersten Licht des nächsten Morgens rollen einige ihre dünnen Schlafmatten zusammen und machen sich auf den langen Fußmarsch zurück in ihre Dörfer. Andere bleiben einfach in der Stadt. Sie verbringen den Tag auf der Straße und betteln um Essen, bis die Dämmerung einsetzt und sie wieder ihren Schlafplatz aufsuchen.



Der Kampf um Sicherheit
Als ich nach Afrika zurückkehrte, glaubte ich, ich könnte den Menschen dort – vor allem den Kindern – am besten helfen, indem ich Medikamente und medizinische Hilfe an Orte brachte, wo diese nicht verfügbar waren. Doch bald merkte ich, was die Kinder noch dringender brauchten: Schutz. Sie brauchten eine Oase des Friedens inmitten eines entsetzlichen, nicht enden wollenden Bürgerkrieges. Diese Oase ist nun das Kinderdorf der Shekinah Fellowship. Der Kampf um seine Sicherheit dauert an. Vor dem Schutzzaun um die Anlage gibt es immer noch gelegentlich Schusswechsel. Immer, wenn ich in dieses Gebiet reise, rechne ich damit, aus dem Hinterhalt überfallen zu werden. Mehr als einmal habe ich erlebt, wie bei meinem Auto die Windschutzscheibe und das Seitenfenster zu Bruch gingen. Fahrzeuge wurden in die Luft gesprengt, einmal auch ein Transporter mit Lebensmitteln für das Waisenhaus. Die LRA schießt auf alles, was ihr vor die Flinte kommt. Allerdings sind die Rebellen es nicht gewöhnt, dass zurückgeschossen wird. Sie überfallen arglose Bürger, die sich nicht wehren können. Wenn sie es dann aber mit einem Trupp bewaffneter Soldaten zu tun bekommen, die auch noch über ausreichend Munition verfügen, sind sie verblüfft. Genau das erwartet sie, wenn sie uns unterwegs angreifen. In der Anfangsphase wurden meine Soldaten und ich im Südsudan ständig überfallen. Wir mussten uns wehren!

Eins wurde mir klar: Verhandlungen oder Hoffnung auf Einsicht waren reine Zeitvergeudung. Wer weiß, wie viele Dorfbewohner ihr Leben verloren haben, während die Politiker herumsaßen und sich darüber ausließen, welch großes Problem dieser Konflikt doch sei. Bei der LRA gilt: Nur wenn man sich wehrt, kommt man weiter. Sobald man die Rebellen mit ihren eigenen Waffen schlägt, hat man auf einmal ihre Aufmerksamkeit. Dieser Konflikt könnte viel eher beendet werden, wenn weniger geredet, sondern gehandelt würde. Unzählige Menschen könnten auf diese Weise gerettet werden. [...]

Das unbekannte Kind

Aus einer fünfwöchigen ehrenamtlichen Tätigkeit in Yei wurde eine Lebensaufgabe in Afrika für mich. Schuld daran war eine Metallscheibe von der Größe eines Speisetellers. Radikale Moslems hatten überall in dem Gebiet, wie auch in vielen anderen Gegenden des Sudan, Tellerminen ausgelegt. Diese Minen aus der Vietnam-Ära sind billig, verlässlich und leicht zu handhaben. Wenn sie erst einmal in der Erde liegen, bleiben sie unbegrenzt scharf, was sie für die einheimische Bevölkerung so gefährlich macht.

Die Armeen des Nordens legen sie zu Tausenden in die Erde. Ziel ist es, die SPLA-Soldaten zu Krüppeln zu machen. Doch wenn die Kriegsschauplätze dann an andere Orte verlegt werden, kommt niemand zurück, um diese Minen wieder auszugraben. Sie auszulegen, ist relativ ungefährlich und einfach. Aber die scharfen Minen zu entfernen, ist sehr gefährlich. Darum bleiben sie einfach in der Erde. Die Truppen aus dem Norden legen sogar Minenfelder in Gegenden, in die die Soldaten der SPLA eher selten kommen. Ihr Ziel ist es, unschuldige Zivilisten zu verletzen. Es gehört zu ihrer Kampagne der Einschüchterung und des Terrors. [...]

Eines Tages kam ich durch ein Gebiet, in dem viele Menschen ihr Leben verloren hatten. Frauen, ältere Menschen, jeder, der barfuß lief oder Sandalen trug, stand in Gefahr, getötet zu werden. Niemand war gekommen, um nach diesen Opfern zu suchen – vermutlich, weil der Rest der Familie bereits tot war. Auch von der Regierung gibt es keine organisierte Aktion, die Leichname einzusammeln. Sie werden einfach am Rand der Minenfelder aufeinandergestapelt. So schrecklich das auch ist, der Anblick ist eine wirkungsvolle Mahnung zu Vorsicht an die Lebenden.

Während meines ersten Besuchs in Afrika war ich mit einigen der anderen Arbeiter unterwegs. Der Anblick der verstümmelten Leichname entsetzte uns. Doch dann stießen wir auf den Körper eines Kindes. Von der Taille an war nichts mehr da. Ich konnte nicht sagen, ob es ein Junge oder ein Mädchen gewesen war. Die untere Hälfte war einfach fort.

Ich stand über diesen kleinen Körper gebeugt und starrte hinab auf die Überreste dieses einmal so kostbaren Kindes. Noch vor Kurzem hatte es gespielt und gelacht, war voller Leben, Energie und Hoffnung. Es war noch zu klein, um zu verzweifeln. Zu klein, um zu hassen. Doch vor einigen Tagen war es durch dieses Feld gelaufen – vielleicht beim Spielen? Vielleicht auf einem Botengang? Vielleicht war es einem Haustier hinterhergejagt? Dieses Kind setzte seinen kleinen schmutzigen Fuß auf die Druckkappe, die die kleine Sprengladung auslöste. Es gab ein Plopp! Und einen Blitz, der nur eine Sekunde andauerte. Aber als er verpufft war, war das Kind bereits tot und sein Unterkörper abgetrennt. Ein Opfer unter Millionen, deren Namen keiner kannte.

Ich konnte die Tränen nicht zurückhalten. Obwohl ich den Anblick nicht ertragen konnte, schien es unmöglich, den Blick abzuwenden. Das Bild vor meinen Augen verschwamm und wurde wieder klar, während mir die Tränen über die Wangen liefen. „Ich will tun, was in meiner Macht steht, um den Menschen im Sudan zu helfen.“ Es war meine Stimme, aber es fühlte sich nicht so an, als kämen die Worte von mir. „Herr, ich verspreche dir hier und jetzt, dass ich mich nach Kräften bemühen werde, diesen Menschen zu helfen. Diesen Kindern. Das verspreche ich! Was immer dazu nötig ist, Herr! Egal, was es kostet!“ Ich wiederholte die Worte immer wieder. „Egal, was es kostet. Egal, was es kostet.“

In diesem Augenblick war es, als hätte eine Gegenwart von mir Besitz ergriffen, und von da an war mein Leben nicht mehr dasselbe. Ich wusste nicht, wie diese Veränderung aussehen würde oder wie sie sich vollziehen würde. Ich wusste nur, dass etwas geschehen würde.

© Gerth Medien GmbH, 2012.





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