Kathleen Popa im Interview

Über den Reichtum des Lebens.

Fesselnd. Einzigartig. Unvergesslich. „Charlottes Fest“ ist ein Roman, der der Frage nachgeht, was wirkliche Nachfolge in unserer heutigen schnelllebigen Zeit bedeutet. Hier lesen Sie die Geschichte hinter dem Roman und lernen die Autorin Kathleen Popa kennen.

Über den Reichtum des Lebens.
Kathleen Popa

Frau Popa, wie kamen Sie darauf, einen Roman über eine Frau zu schreiben, die ein Leben der Abgeschiedenheit und des Verzichts führen möchte?


Ich bin im katholischen Umfeld aufgewachsen, das hat sicherlich etwas damit zu tun. Seit meiner Kindheit hatte ich eine gewisse religiöse Neigung und als kleines Mädchen überlegte ich, ob ich eines Tages Nonne werden sollte. In meinen Jugendjahren traten diese Gedanken dann in den Hintergrund, aber meine Faszination für die Menschen früherer Jahrhunderte, die Besitz und Ansehen aufgaben, um eine reiche und tiefe Beziehung zu Gott zu finden, blieb mir erhalten. Als ich anfing, Charlottes Fest zu schreiben, stellte ich mir die Frage, wie diese Sehnsucht nach Gott sich auswirken würde, wenn eine moderne Frau mittleren Alters, die gewohnt ist, in teuren Läden einzukaufen und ohne ihr Handy nicht leben kann, sich davon erfassen lassen würde.

Welche Person entspricht Ihnen selbst am ehesten, Charlotte mit ihrem Streben nach einem anderen Leben, India, die Esoterik-Tante, oder Susanne, die sich von ihrer beruflichen Karriere Befriedigung erhofft?

Es gab Zeiten in meinem Leben, als ich mich verzweifelt danach sehnte, so zu sein wie Susanne, die immer weiß, was zu tun ist und die immer alles im Kofferraum hat, was man braucht.

Allerdings bin ich nie so gewesen, wofür ich heute dankbar bin. Die Zeiten, in denen ich dem Ideal der selbstbewussten und kompetenten Person am nächsten kam, waren für mein geistliches Leben nicht von Vorteil. Solange ich meine ganze Kraft brauchte, um vermeintlich alles im Griff zu haben, war meine Fähigkeit, nach der Gegenwart Gottes Ausschau zu halten und auf seine Führung zu achten, sehr eingeschränkt.

In einem verborgenen Winkel meines Herzens bin ich India ähnlich. Insgeheim bin ich immer auf der Suche nach der tieferen Bedeutung und dem Sinn, der hinter den Dingen stecken könnte. Gleichzeitig bin ich aber überzeugt, dass jeder Versuch, mit Hilfe von Zauberei oder Magie seine Ziele zu erreichen, wiederum nichts anderes ist, als die Dinge selbst kontrollieren zu wollen und sie damit Gott aus der Hand zu nehmen. Leider weiß ich, dass auch manche meiner Gebete aus einem solchen „magischen“ Denken heraus entstanden sind, so dass sie letztlich kaum von Zauberformeln zu unterscheiden sind.

Ich bevorzuge den Weg, den Charlotte entdeckt, die am Ende einfach und unverstellt zu Gott kommt. So will ich lernen, darauf zu vertrauen, dass Gott die Dinge im Griff hat und dass er selbst sie tut. Nur ausnahmsweise, wenn ich im Einklang mit ihm stehe, darf ich ihm gelegentlich dabei helfen.

Ich behaupte nicht, dass unser Leben immer nur leise und ohne Stress sein soll, aber ich denke, die Stille hilft uns, die richtigen Aktivitäten auszuwählen und unser Leben sinnvoll zu gestalten.




India hat eine recht radikale Einstellung in Bezug auf die üblichen kulturellen Werte unserer Gesellschaft, die sie eher als Fehlen von Werten bezeichnen würde. Sind Sie auch dieser Meinung?

Ich drücke mich vorsichtiger aus als India, weil ich älter bin als sie und weiß, dass ich oft auch selbst das falsch mache, was ich anderen vorhalte. Aber ich denke durchaus, dass zu viele Menschen getrieben sind und zu wenig unverplante Zeit haben, in der sie zur Ruhe kommen, auf Gott hören und beten können. Meine Mutter und ich hatten die Gewohnheit entwickelt, mehrmals pro Woche um einen nahe gelegenen See zu gehen, was uns in mehrerlei Hinsicht sehr gut getan hat. Ich behaupte nicht, dass unser Leben immer nur leise und ohne Stress sein soll, aber ich denke, die Stille hilft uns, die richtigen Aktivitäten auszuwählen und unser Leben sinnvoll zu gestalten.

Woher haben Sie die Idee für Josephs Hütte gehabt?

Vor Jahren entdeckte ich genau so eine Hütte am Strand von Pescadero in Kalifornien. Aus der Ferne wirkte sie wie ein Haufen Treibholz, aber als ich näher kam, sah ich, dass es ein kleines Häuschen war. Ich bückte mich, um durch die schmale Öffnung ins Innere sehen zu können, und entdeckte zu meinem Erstaunen, dass sich dort jemand eine richtige Wohnung eingerichtet hatte, mit einem Bett und einem hübschen kleinen Tisch. Der Bewohner war nicht in der Nähe, so fühlte ich mich als Eindringling und fand es unangebracht, Fotos zu machen. Ich ging einfach weiter. Aber ich habe dieses Bild nie vergessen und mich immer gefragt, wer dort wohl wohnte und welche Geschichte er zu erzählen hätte.

Zwei Szenen in ihrem Roman, die Entbindung und das Meeresleuchten, werden sehr ausführlich geschildert. Haben Sie selbst einmal so eine Algenblüte gesehen? Haben Sie zu Hause entbunden oder einer Hausgeburt beigewohnt?

Ich habe nie eine Algenblüte gesehen, auch kein Polarlicht, nicht einmal ein Glühwürmchen, so sehr ich mir das alles auch schon lange wünsche. Freunde erzählten mir von einer Nacht, als die starke Vermehrung einer bestimmten Algenart das Wasser zum Leuchten brachte. Alles, was sie damals sagten, faszinierte mich und mir war klar, dass ich für das Meeresleuchten in meinem nächsten Buch einen Platz finden würde.

Die Entbindung meines Kindes erfolgte per Kaiserschnitt, so ähnlich wie bei Charlotte, mit der Einschränkung, dass Charlotte, die sich ohnehin in sehr bedrückenden Lebensumständen befand, zu einer besonders negativen Sicht neigte, während die Geburt meines Kindes von großer Freude begleitet war. Da ich wusste, dass India ihr Kind zu Hause entbinden würde, rief ich eine Hebamme an und bat sie, mir zu schildern, wie eine solche Geburt ablaufen könnte. Wiederum war ich fasziniert von dem, was mir erzählt wurde. Charlotte, die sich einerseits vor Angst um ihren Sohn verzehrte, erlebte andererseits diese schöne Geburt mit. Es war klar, dass sie nun das Gefühl bekommen würde, ihrem Kind von Anfang an nicht gerecht geworden zu sein, weil sie mit Kaiserschnitt entbunden hatte.

Wer in Gottes Nähe gelangen möchte, muss wahrhaftig sein.



Was wollten Sie mit Berties Gebetsszene am Strand im letzten Kapitel des Buches zum Ausdruck bringen?

Diese Szene enthält viel mehr, als ich in Worte fassen kann. Doch hier sind einige Ansätze: In unserem Leben dreht sich vieles um den äußeren Anschein. Oft sind wir uns dessen gar nicht bewusst, aber ein Sturm von Ängsten erfüllt unser Unbewusstes: Wie wirken wir auf andere? Sind wir produktiv genug? Intelligent genug? Schön genug? Klug genug? Da wir alle wissen, dass wir in keinem der Punkte das Soll erfüllen, versuchen wir, zumindest so zu wirken, als entsprächen wir den Anforderungen. So kann man nicht beten. Wer es doch versucht, sendet einen Hochstapler ins Allerheiligste, der niemals Zutritt erlangen, sondern draußen im Vorhof sitzen bleiben und sich fragen wird, was geschehen würde, wenn er sich im Zentrum der Gegenwart Gottes aufhalten dürfte. Wer in Gottes Nähe gelangen möchte, muss wahrhaftig sein.

Wenn wir im Bewusstsein der Schwächen und Fehler, die wir keinem Menschen gegenüber zeigen, auf Gott zugehen, dann ist das ein guter Weg, um Unwahrhaftigkeit zu vermeiden. Eine Person, die ihre Not anschaut, wird echt.

Es ist nicht leicht, über Gebet zu schreiben, da vieles dabei sich jenseits von Worten ereignet. Also versuchte ich es mit dem Mittel der Fantasie. Natürlich habe ich selbst noch nie mit einem verstorbenen Heiligen getanzt, auch wenn ich es mir schön vorstellen würde. Aber wenn ich die Bücher dieser Menschen lese, dann weiß ich, dass der Gott, den sie so leidenschaftlich liebten, auch der Gott ist, mit dem ich täglich spreche. Das fasziniert mich.

Eine Person, die ihre Not anschaut, wird echt.



Als Charlotte zum ersten Mal in Josephs Hütte blickt, entdeckt sie das Buch, das er gerade liest, Weisheit aus der Wüste von Henri J. M. Nouwen. Später empfiehlt Joseph ihr, Verwegenes Vertrauen – Ergreifen, was Gott uns schenkt von Brennan Manning zu lesen. Ist das der schlecht getarnte Versuch einer Leseempfehlung?

Sie haben mich erwischt. Wer mich zu Hause besucht, muss immer damit rechnen, dass ich ihm aus dem Buch vorlesen will, das ich gerade lese, was auch immer das sein mag. In der Zeit, als ich Charlottes Fest schrieb, las ich diese beiden Bücher. Vermutlich werde ich sie aber auch in zehn Jahren noch zu den wichtigsten Büchern zählen, die ich je gelesen habe.

In dem Buch Weisheit aus der Wüste erforscht Nouwen die Anfänge des christlichen Mönchstums mit den Disziplinen der Einsamkeit, Stille und des Gebets. Er schreibt darüber auf eine Weise, die auch uns in unserem alltäglichen Leben des 21. Jahrhunderts etwas zu sagen hat.

Manning ermutigt in seinem Buch Verwegenes Vertrauen dazu, einen Glauben an Gott zu entwickeln, der im stillen Vertrauen auf Gott ruht, gerade dann, wenn wir mit Dingen zu tun haben, die sich unserer Kontrolle entziehen, die keinen Sinn zu ergeben scheinen und uns weh tun.

Was schreiben Sie derzeit?

Ich schreibe an einem Roman, in dem sich die Geschichte vom verlorenen Sohn spiegelbildlich ereignet. Ein in die Jahre gekommener Hippie fühlt sich als Versager im Hinblick auf die Erziehung seiner Kinder, weil sein Sohn ein Börsenmakler ist und seine Tochter Pastorengattin. Dann wird er krank und möchte in der ihm noch verbleibenden Zeit wenigstens einen Menschen richtig lieben.

© Gerth Medien GmbH 2013

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