Lebensberichte sind schwer zu bewerten. Krisengeschichten noch mehr. Die Lebenskrise, in die Victoria Arlen mit gerade mal elf Jahren stürzt, sucht ihresgleichen: Das lebensfrohe, ehrgeizige, fröhliche Mädchen ist über insgesamt vier Jahre hilflos, völlig auf andere angewiesen - und vor allem missverstanden, misshandelt und enttäuscht.
Die Geschichte ihrer Krankheit und Genesung fasziniert und erschüttert mich beim Lesen. Es ist beeindruckend, mit welcher Energie sie sich nach ihrem Locked-In ins Leben zurückkämpft und ihre Träume wiederfindet.
Jetzt kommt das große ABER. Ich hatte nach der Hälfte des Buches keine Lust mehr, weiterzulesen. Der immerwiederkehrende Gedanke: "Ich will mein Leben zurück" hat mich irritiert und - ehrlich gesagt - auch abgestoßen. Gerade Krisen sollten uns daran erinnern, dass unser Leben eben nicht uns gehört. Wir leben nicht, damit Gott unsere Träume erfüllt, sondern umgekehrt.
Der extreme Ehrgeiz, mit dem Victoria ihre sportliche Karriere verfolgt, hat mich sehr nachdenklich gemacht. Für mich ist dieser Ehrgeiz kein Vorbild - zumal sie auch beschreibt, dass sie nach wiederholten "Hochs" immer wieder in Depressionen abstürzt. Ihre Genesung war ein Wunder. Das kann kein Mensch machen. Ihr Versprechen, das sie Gott gibt, kommt über weite Strecken des Buches überhaupt nicht mehr vor.
Victoria schreibt sehr viel von der Unterstützung ihrer Mutter und dem Rest der Familie. Trotzdem passt das ständige "Ich" für mich persönlich nicht zu einem ermutigenden, inspirierenden Verhalten. Es ist wenig von Demut und Dankbarkeit zu spüren. Der Schwerpunkt liegt eher auf dem "Kämpfe, überwinde." Aber nicht alles kann bekämpft und überwunden werden.
Ich war beim Lesen oft enttäuscht, weil selbst bei beschriebenem falschen Verhalten keine Reue zu spüren war. Natürlich macht man Fehler. Aber wenn man ein Buch über seine größte Lebenskrise schreibt, hätte ich erwartet, dass man diese auch reflektiert und Lehren daraus zieht. Das begegnet mir in diesem Buch nicht.
Insgesamt ist es ein Buch, das nicht leicht zu lesen ist - der Stil ist etwas chaotisch, ich habe immer wieder den Faden verloren. Ich würde es nicht uneingeschränkt weiterempfehlen, vor allem nicht für Menschen, die gerade in einer Krise stecken. Und ich glaube nicht, dass ich es nochmal lesen werde.